DFG Linguistisches Teilprojekt

English

Framing Corruption

Weder für das Serbische und Kroatische noch für irgendeine andere Sprache gibt es Forschungen, die sich mit der Semantik oder mit der historischen Entwicklung des Wortgebrauchs im Bereich der Korruptionslexik auseinandergesetzt haben. Um jedoch die Schwierigkeiten der Korruptionsbekämpfung besser identifizieren zu können, ist es wichtig zu untersuchen, was die entsprechenden Gesellschaften unter Korruption verstehen oder verstanden haben. Dabei soll das linguistische Teilprojekt – in enger Zusammenarbeit mit den übrigen Teilprojekten – neue Aufschlüsse darüber erbringen.

Für das linguistische Teilprojekt soll eine qualitative lexikalisch-semantische Analyse des thematischen Wortschatzes zu der Framefamilie INFORMALITÄT erstellt werden – der einzelne Frame ‚Korruption‘ soll als Teil der Framefamilie betrachtet werden. Ziel ist es nach linguistischen Markern zu suchen, die Verschiebungen der Grenze zwischen legitimen zu nicht-legitimen Praktiken widerspiegeln. Der Fokus liegt auf der serbischen und kroatischen bzw. jugoslawischen Presse des Zeitraums von 1919 bis in die heutige Zeit. Es soll nachgezeichnet werden, wie die serbischen und kroatischen Medien die Logiken der betreffenden Akteure konstruieren.

Die Leitfragen in Bezug auf die relevanten Wortschatzfelder lauten:

  1. Wie unterscheidet sich der Wortgebrauch in der kroatischen und der serbischen Presse?
  2. Wie unterscheidet sich der öffentliche Wortgebrauch im ersten und zweiten Jugoslawien und schließlich von 1991 bis heute?
  3. Lassen sich im öffentlichen Wortgebrauch Kontinuitäten und Brüche nachzeichnen
    Wie wirkte die Zensur im sozialistischen Jugoslawien? Hebt sich die Phase der Liberalisierung zwischen 1963 und 1972 besonders ab?

Ein erster Blick in historische Wörterbücher und Korpora zeigt nämlich, dass das Lexem korupcija eine relativ junge Entlehnung ist und dass weitere Lexeme verwendet wurden, um auf die zu untersuchenden Phänomene zu referieren. Die Frage stellt sich, ob vor dem Aufkommen des Korruptionsbegriffs andere Lexeme bestanden, die ähnlich funktionierten wie korupcija oder ob mit dem Korruptionsbegriff gar ein neues diskursives Phänomen aufkam, nämlich die Delegitimierung von Personen, Institutionen oder sogar ganzer Gesellschaften.

Um die begriffliche Unschärfe und Dynamik des Korruptions- bzw. Informalitätsbegriffs miteinzubeziehen, ist es notwendig sich von der Orientierung auf Einzellexeme wie korupcija zu lösen und angrenzende Lexeme und semantische Felder in den Fokus zu nehmen. Dabei soll auf den dynamischen Begriff des Frames bzw. Wissensrahmens Bezug genommen werden. Die konzeptuelle Offenheit des Verständnisses von KORRUPTION und INFORMALITÄT wird durch die aus dem vorhandenen Belegmaterial identifizierten Lexeme modelliert. Um die Lexeme zu identifizieren, wird eine FrameNet-basierte Annotationsmethode verwendet.

Das Datenmaterial stellen Nachrichten, Berichte und Kommentare aus der serbischen und der kroatischen Presse dar. Für das Serbische wird die Zeitung ‚Politika‘ ab 1919 vollständig ausgewertet. Für das Kroatische werden für das Erste Jugoslawien die Zeitungen ‚Obzor‘ (1920-1941), und ‚Jutarnji list‘ 1919-1941 vollständig analysiert. Für die Nachkriegszeit ‚Večernji list‘ (ab 1959) und ‚Slobodna Dalmacija‘ (ab 1943).

Bevor das historische Quellenmaterial gesichtet wird, sollen für die Lexeme aus der Framefamilie INFORMALITÄT im Rahmen einer explikationsbasierten Analyse lexikografische Porträts erstellt werden, die den aktuellen Gebrauch erfassen. Zudem werden in die Beschreibung des modernen Sprachgebrauchs die Frequenzdaten aus den über SketchEngine verfügbaren Webkorpora (hrWaC v2.2. und srWaC v1.2.) integriert.

Jovana Jović (HA 2659/11-1)

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