
Von der Informalität zur Korruption:
Serbien und Kroatien im Vergleich
Anders als noch vor 15 Jahren hat sich heute in der Korruptionsbekämpfung Pessimismus breit gemacht. Die seit den 1990er Jahren global praktizierte schematische Einführung von Institutionen und Gesetzen führt oft nicht zu dem Eindruck, dass die Korruption wirklich zurückgeht. In der Forschung wächst das Verständnis dafür, dass Korruptionskontrolle ohne entsprechenden Willen und Möglichkeiten der Gesellschaft schwierig ist. Als wenig sinnvoll erscheint auch eine Korruptionsbekämpfung, die eine Gesellschaft an externen Maßstäben misst und dabei Logik und Werte lokaler Akteure ignoriert. Gleichwohl haben sich viele Gesellschaften, meist im Zusammenhang mit der eigenen Staatsgründung, dem Aufbau verregelter Bürokratien verschrieben, deren Handeln sich an universellen, formalisierten Regeln orientieren soll; ältere, partikularistische Praktiken gelten aus der Sicht des so eingeführten formellen Systems oft als Korruption. In vielen Fällen hat sich das formelle System nur partiell durchsetzen können, so dass die Frage nach den langfristigen Gründen für die Persistenz von Informalität (welche dann oft als Korruption kritisiert wird) berechtigt ist. Dieses Projekt untersucht die Korruptionsgeschichte zweier benachbarter Territorien in Südosteuropa vergleichend und im historischen Längsschnitt. Ein ehemals osmanisches Territorium (Serbien) wird mit einem ehemals habsburgischen Territorium (Kroatien) verglichen, auch um die Bedeutung imperialer Hinterlassenschaften für die Korruptionsproblematik besser zu verstehen.
Um das Forschungsfeld übersichtlich zu halten, konzentrieren wir uns auf Korruptionsskandale, in denen die Regeln korrekter Interaktion öffentlich verhandelt werden. Wir arbeiten als interdisziplinäres Team zusammen – das historische Teilprojekt stellt Korruptionsskandale im ersten und zweiten jugoslawischen Staat (1918-1991) in den Mittelpunkt; das wirtschaftswissenschaftliche Teilprojekt konzentriert sich auf die Korruptionswahrnehmung in kleinen und mittleren Unternehmen in Serbien und Kroatien; das linguistische Teilprojekt betrachtet die semantischen Veränderungen des Wortfeldes “Informalität/Korruption” im Serbischen bzw. Kroatischen in der Langzeitperspektive.
30.04.2025 15:29




